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KOMPLiZE Tattoo & Brennding

Emanuel Izquierdo

Wo?

München

Datum

April 2020

Fotograf

Ingolf Hatz

Bitte beschreiben Sie diesen Ort (und das Leben hier zu normalen Zeiten).

Es beginnt nicht im Laden, es beginnt schon auf der Straße, es ist einfach weniger los. Ich habe jeden Tag Minimum einen Kunden hier, mit dem mich praktisch den ganzen Tag beschäftige – nicht nur tätowieren, sondern auch zeichnen. Als Tätowierer ist man auch ein bisschen so ein Ding zwischen Barkeeper und Psychiater. Man redet relativ viel, also das Soziale ist auch relativ wichtig.

Bitte beschreiben Sie Ihre aktuelle Situation?

Das Ganze fällt natürlich jetzt gerade komplett weg, für mich seit dem 16.03.2020 – ein kompletter Ausfall.

Ich muss sagen, dass ich das, was die Regierung gemacht hat, eigentlich befürworte und recht gut finde. Natürlich gibt es immer ein paar Mankos, bei denen man sich auch einhaken kann und sich aufregen kann. Wenn ich etwas zu bemängeln hätte, wäre es in dem Fall, dass kein wirklicher Plan vorliegt. Natürlich muss man dazu sagen, dass es so etwas auch noch nicht gab und man nicht aus alten Sachen Ergebnisse rausfiltern kann, aber ist es hier in Bayern so, dass ab Anfang Mai viele Sachen wieder aufmachen dürfen, die davor nicht aufmachen durften. Ich glaube, dass wir als Tätowierer nicht in diese Gruppe reingehören. Ich glaube, dass es sich noch ein bisschen hinziehen wird und für einen Tätowierer vor Mitte, Ende Mai nicht damit zu rechnen ist, wieder aufmachen zu dürfen.

Was erwarten Sie für sich persönlich von der Zukunft?

Ich erwarte, oder hoffe, dass die Leute durch das, was sie jetzt verspüren durften, auch langfristig etwas dabei lernen – wie die Hygiene, die wirklich in meinen Augen in den letzten Jahren und Jahrzehnten einfach nicht mehr so gehandhabt wurde, man hat sich nicht mehr nach jedem Toilettengang die Hände gewaschen usw. Das hat sich einfach so eingeschlichen wie in der U-Bahn, dass die Türen aufgehen und man eigentlich erst rausgeht, bevor man einsteigt. Das sind Punkte, bei denen ich dann einfach merke, dass der Mensch, obwohl es etwas mit logischem Denken zu tun hat, trotzdem immer wieder dahin geschubst werden muss. Und was ich mir sonst noch wünsche ist, dass durch das, was jetzt gerade passiert, diese Demut, die man jetzt in vielen Bereichen hat, auch langfristig hat. Ob es jetzt derjenige ist, der uns beim Bäcker die Brötchen bringt oder im Supermarkt die Verkäufer. Selbst bei der Polizei oder der Feuerwehr sind jetzt die Leute, die draußen sehr, sehr viel gemacht haben, während unser einer – ich spreche jetzt eher vom mir – daheim war und nichts zu tun hatte. Was natürlich auch sehr schlimm ist, aber aus diesen Punkten möchte ich mich auch nochmal bedanken. Für mich funktioniert die Geschichte, die die Regierung macht, auch wenn ich jetzt sehr, sehr starke Einbußen habe oder in dem Fall auf null bin und wirklich auf meine Soforthilfe angewiesen bin und warte. Ich versuche trotzdem, nicht zu verzweifeln oder sauer zu sein. Dafür kann an sich keiner was. Die Zeit wird zeigen, wie die Politik dann auch langfristig damit umgeht. Ich freue mich aber wiederum drauf, dass, wenn die ganze Geschichte vorbei ist, das Müsli danach besser schmeckt.

Fünfzehn Profifotografen und Fotografinnen, vom Alpenvorland bis Sylt porträtieren deutschlandweit Menschen in der Corona-Auszeit.

Aus.Zeit 2020 ist ein Not-for-Profit-Projekt der Werbeagentur brandcom. Entstanden aus dem Impuls, den Moment festzuhalten, ohne Gewinnausrichtung.