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Antiquariat Hammerstein

Petra Hammerstein

Wo?

München

Datum

April 2020

Fotograf

Ingolf Hatz

Bitte beschreiben Sie diesen Ort (und das Leben hier zu normalen Zeiten).

Normalerweise öffne ich um 10 Uhr. Dann ist es auch schon lebendig mit den ganzen Nachbarn und das Café nebenan hat offen. Die Leute holen sich einen Coffee-to-go und die Nachbarn Frühstück. Ab 10 Uhr ist es schon sehr belebt.

Bitte beschreiben Sie Ihre aktuelle Situation?

Meine aktuelle Situation ist so, dass es hier noch nie so aufgeräumt war. Ich bin viel im Lager – was ich sonst auch bin – aber mir fehlt natürlich der Tagesumsatz. Ich mache erst spät auf, ab 11 oder 12 Uhr. Vorher mache ich noch andere Dinge wie Post, Ebay und fotografiere. Wenn ich dann aufmache, kommt auch meine Mutter und dann haben wir durchgehend bis 20 Uhr auf. In den 8-9 Stunden beansprucht einen der Laden sehr. Man muss räumen. Es kommen Kunden. Es kommen Kunden übers Internet und man muss etwas her suchen. Es ist aber auch schön, weil die Tür auf ist, was los ist und Bekannte reinkommen. Es ist sehr lebhaft.

Momentan ist es sehr ruhig, so wie am Sonntag. Für mich ist es eher weniger dramatisch, weil ich sowieso in der Früh, am Morgen immer hier bin und da ist es immer ruhig. Ich mache eher so die ruhigeren Arbeiten, die mit Kundenkontakt eher weniger zu tun haben. Meine Mutter macht den Versand, die Buchhaltung und das alles noch mit 87. Aber das wird sich jetzt komplett ändern. Wenn wir wieder aufmachen, werde ich hier sein und meine Mutter muss irgendwas im Lager machen oder daheim bleiben wegen der Ansteckungsgefahr. Der Laden ist schon ein wichtiger Punkt für uns, der Umsatz auch und auch die Ankaufkontakte, wir brauchen ja Ware.

Der Onlinehandel macht bestimmt 70 % des Umsatzes aus, aber ist aktuell nicht angestiegen. Unsere Ware sehr speziell ist, da kann ich nicht mit Amazon und Co. mithalten. Was ich gemerkt habe ist, dass mehr Gesamtausgaben verkauft wurden, wie Taschenbände von Kafka und Boccaccio von Decamerone. Die Leute richten sich darauf ein, Zeit zu haben.

Was erwarten Sie für sich persönlich von der Zukunft?

Ich erwarte, dass wir jetzt praktisch in einer Woche aufmachen können. Dann werde ich auch begrenzt aufmachen. Wahrscheinlich nicht vor 12 Uhr wie manchmal. Aus der Erfahrung: Die Touristen verlassen gehen 10 Uhr das Hotel und sind dann meistens erst in kleineren Vierteln unterwegs. Bei schönerem Wetter oder in den Ferien mache ich dann auch schon um 10 Uhr auf. Das werde ich aber jetzt wahrscheinlich nicht so machen, denn es sind ja keine Touristen da.

Ich werde draußen meine Kisten in zwei Meter Abständen aufstellen und auch an den Briefkasten eine Vertrauenskasse einrichten. Dann sperre ich einfach zu und kann im Lager arbeiten oder wenn einer im Laden drin ist, muss ich Desinfektionsmittel und so weiter aufstellen. Dann schreibe ich draußen hin: „Vertrauenskasse Geld in Briefkasten werfen oder per PayPal“. Und wenn jemand was klauen will, dann tut er es auch, wenn ich hier drinnen sitze. Ich habe mir überlegt, das mit der Vertrauenskasse wäre eine gute Idee. Ich glaube aber auch, dass die Menschen sind und die Touristen fehlen eh. Insofern wird es sowieso ruhiger werden.

Fünfzehn Profifotografen und Fotografinnen, vom Alpenvorland bis Sylt porträtieren deutschlandweit Menschen in der Corona-Auszeit.

Aus.Zeit 2020 ist ein Not-for-Profit-Projekt der Werbeagentur brandcom. Entstanden aus dem Impuls, den Moment festzuhalten, ohne Gewinnausrichtung.